Wie sich Uni verkauft
von Jutta Schönberg

Während um den Strukturwandel der Hochschulen unter marktwirtschaftlichen Ge-sichtspunkten noch heftig gerungen wird, macht sich in der universitären Praxis bereits ein neuer Geschäftssinn breit. Ein kleiner - unvollständiger - Streifzug durch Deutschland zeigt, was die Alma mater als Geschäftsfrau so alles unternimmt.

Das Geschäft mit dem Geschäft: Uni-Shops

Wer sich von Tübingen aus auf die Suche nach Handel und Wandel an den Universitäten begibt, wird schon in Baden-Württemberg fündig: Im letzten Oktober eröffnete die Universität Freiburg den ersten Uni-Shop Deutschlands, die Universität Heidelberg zieht in diesen Tagen nach. Zu kaufen gibt es in diesen Läden alles, womit Fans ihre Verbundenheit mit der jeweiligen Universität nach au▀en hin kundtun können - auf Kleidung, Accessoires und Schreibuntensilien prangt das Uni-Logo. Die Freiburger haben darüber hinaus noch eine ganz besondere Attraktion zu bieten: Uni-Wein aus eigenem Anbau. Die Kunden sind's zufrieden und lassen die Kassen klingeln.

Doch bevor man sich nun in Tübingen womöglich an die Kreation von Stifts-Bier oder Hegel-Keksen macht, ist eine kleine `Betriebsprüfung' angesagt. So ähnlich die Produktpaletten der Uni-Shops sind, so verschieden können nämlich die Konzepte und die dahinter stehenden Ideen sein.

"Imageverstärkung`` nennt Rudolf-Werner Dreier, Pressesprecher der Universität Freiburg, als Ziel. Entsprechend dieser Akzentsetzung auf Au▀enwirkung befindet sich der Shop mitten in der Stadt und mitten in einem anderen Laden, einer Buchhandlung. Den Vertrieb hat - abgesehen vom Uni-Wein - eine Profi-Firma in die Hand genommen. Sie bezahlt einen Pauschalbetrag und einen kleinen prozentualen Anteil vom Verkaufsgewinn gegen das Nutzungsrecht am Uni-Logo.

Ganz anders angedacht ist dagegen der Heidelberger Uni-Shop. Albrecht Bayer, stellvertretender Leiter des Akademischen Auslandsamts, will den erhofften Gewinn in den Aufbau eines Netzes ausländischer Absolvent(inn)en stecken, also gewisserma▀en zurückführen in eine international gedachte `Corporate Identity'. Entsprechend liegt der Shop im Universitätsgebiet und zwar mitten im Touristenstrom in der Nähe des Karzers. Bayer hält den Vertrieb selbst in Händen, allerdings nicht nur aus Gründen der Gewinnmaximierung. Ihm liegt daran zu klären, "inwieweit eine öffentliche Einrichtung gleichzeitig ein Hersteller sein kann und darf.`` Das wäre dann tatsächlich ein Schritt in Richtung `Universitas GmbH'.

Ein Paket Marketing

Auch wenn es dort bekannterma▀en keine Heinzelmännchen mehr gibt, blüht das Geschäftsleben in der Stadt Köln. Da will die Universität nicht abseits stehen. Seit einem Jahr arbeitet eine Projektgruppe gleich an einem ganzen Paket von Marketing-Aktivitäten. Dies könnte die Vorstufe zur Etablierung einer gesonderten Abteilung sein, wie der Dezernent für Organisation und Beschaffung Herbert Bresgen meint.

Unter den insgesamt 15 Ma▀nahmen findet man neben mittlerweile Gängigem wie Werbung in Universitätspublikationen, Vermarktung des Signets oder Vermietung von Räumlichkeiten für Film und Fernsehen auch Überraschendes. Quasi in Umkehrung der Uni-Shop-Idee wollen die Kölner auswärtige Geschäfte auf ihren Campus holen. Bei der Umsetzung sto▀en sie aber auf das gleiche Dilemma: Soll und darf man das unternehmerische Risiko selbst tragen oder mu▀ man es - mit weniger Profit - den Profis überlassen?

Wem es also bei der Vorstellung von einem Mountainbike-Geschäft auf der Morgenstelle, einem Second-Hand-Shop im Neuphilologikum oder einem Reformkost-Laden in der Neuen Aula graust, kann sich erstmal beruhigt zurücklehnen. Möglicherweise werden nämlich die Gerichte entscheiden müssen, was sich die Universitäten leisten dürfen, wenn sie sich etwas leisten wollen.

Neue Länder, neue Sitten?

Den einen gilt die Technische Universität Dresden als Schreckgespenst, den anderen als Vorreiter in Sachen Marktnutzung, seit vor Jahren ein findiger Assistent im Hörsaal Werbefilme zeigte. Obwohl dies ein Einzelfall bleiben soll, wie Pressechef Rolf Sanders versichert, hat man die Werbeetats der Firmen nicht aus den Augen verloren. Spiegel-, ZEIT- und FAZ-Leser(innen) konnten letztes Jahr eine ganzseitige Anzeige bewundern, mit der die Jugend der Welt nach Dresden gerufen wurde - zum Studium selbstverständlich. Unterzeichnet (und bezahlt) haben die Stadt (man denke sich ähnliches in Tübingen?!) sowie ein rundes Dutzend Unternehmen, die mit der Aussicht auf Praktika und Arbeitsplätze, aber auch mit dem attraktiven Umfeld lockten. Offensichtlich traf man damit die Wunschvorstellungen der Studierwilligen: Dresden hat die höchste Zuwachsrate an Technikstudent(inn)en in Sachsen - also ein `gutes Geschäft' für alle Beteiligten.

Schlagzeilen machte auch der letzte Sponsoring-Coup der Universität: Die Firma Mannesmann finanziert ihr den Lehrstuhl für Mobilfunk. Beide Partner erhoffen sich dadurch Fortschritte in allgemeinen Forschungsthemen, die die Kapazität der Firma überschreiten und daher der Infrastruktur einer Hochschule bedürfen - z.B. die Gesundheitsprüfung von Handys. Doch solche Erfolge könnten auch eine Kehrseite haben. Was wird, wenn ein Unternehmen auf diese Weise `Outsourcing', die billige Auslagerung eigentlich firmenspezifischer Forschung und Ausbildung, betreiben will? Dagegen schützt wohl nur der genaue Blick auf die jeweilige Unternehmensphilosophie und differenziertes Aushandeln der gegenseitigen Interessen.

Die Mischung macht's

Ähnliche Geschäftstüchtigkeit im Bereich Geistes- und Kulturwissenschaften finden wir direkt vor der Haustür (und doch in gewissem Sinne ganz weit weg). Die Grabungen im mythisch wie historisch bedeutsamen Troia werden vom Tübinger Professor Manfred Korfmann geleitet - gut ein Fünftel der Mittel dafür werden von der Daimler-Benz AG bereitgestellt, in Form von Geld- und Sachspenden. Ohne dieses Sponsoring würden die Touristen in Troia nicht einmal passable Wege vorfinden, geschweige denn ausreichende Informationstafeln. Ihre Eintrittsgelder flie▀en nämlich nicht in den Erhalt der Grabungsstätte. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft wiederum mu▀ sich auch in Troia auf die Förderung begrenzter wissenschaftlicher Einzelaufgaben beschränken. Damit ist aber der Informationsbedarf auch der breiten Öffentlichkeit nicht zu decken.

Sicherlich, im Gegenzug kann der Sponsor einiges an Einsatz für sich selbst erwarten. Um das Schillern zwischen gegenseitiger Kommunikation und einseitiger Vereinnahmung in den Griff zu kriegen, empfiehlt Korfmann die Entwicklung eines "inneren Programms``, in dem die eigenen Grenzen und die des Projektes festgelegt werden. So lehnt er es z.B. ab, Troia in den privaten Medien zu 'verkaufen'.

Zudem sorgt ein ganzes Netzwerk von Unterstützern dafür, da▀ das Troia-Projekt nicht weitgehend industrieabhängig wird: Es reicht vom Tübinger Universitätsbund über die international organisierten `Freunde von Troia' bis zu Einzelpersonen wie dem amerikanischen Verleger Jim Ottaway.

Aufgrund dieser Mischung aus Wissenschafts-, Wirtschafts- und Liebhaberinteressen kann Korfmann sicher zu Recht sagen: "Der Kern des Troia-Projekts ist der Idealismus``. Trotzdem - oder vielleicht sogar deswegen - bleibt es finanziell abhängig von einer verlä▀lichen Grundausstattung. Erst jüngst mu▀te das Geschenk mehrerer Computer ausgeschlagen werden, weil kein Geld für füher einmal fest zugesagtes professionelles Bedienungspersonal aufzutreiben war. So könnten die staatlichen Sparma▀nahmen - nicht nur für dieses Projekt - einen unerwünschten Domino-Effekt bewirken: Eine löchrige Infrastruktur schreckt potentielle Geschäftspartner ab.

Die Alma mater emanzipiert sich

Auch in der Praxis zeigt sich, da▀ der Weg zum Markt mit Stolpersteinen gepflastert ist. Wie die Universität sich in Zukunft verkauft, hängt auch davon ab, inwieweit sie ihre Geschäfte selbst in die Hand bekommt. Ob eine Gratwanderung zwischen öffentlicher Institution und Firma gelingen kann, ist sicher nicht nur eine juristische Frage. Möglicherweise werden sich die Universitäten eigene Marketing- oder PR-Abteilungen leisten müssen, um den modernen Kommunikationsaufgaben gerecht zu werden. Sonst könnte aus dem Verkauf leicht ein Ausverkauf werden. Die Forderung nach einer vernünftigen Grundausstattung und tragfähigen Infrastruktur beschränkt sich demnach nicht auf den Forschungs- und Lehrbetrieb.

Die gezeigten Aktivitäten können wohl kaum das Ein- und Auskommen der Alma mater sichern, doch ein zweiter Blick auf ihre Verkaufs-Ideen lohnt sich. Geschäfts-Sinn entwickelt sich nämlich vor allen Dingen dann, wenn durch die Öffnung der Universität für den Markt weitere gesellschaftliche Bereiche erschlossen und neue externe wie interne Bindungen geschaffen werden. Uni-Shops, öffentliche Werbung und verstärktes Sponsoring sind daher auch unter diesem Aspekt zu betrachten.

Wirtschaft, Industrie, aktive und ehemalige Studierende sowie weite Teile der nichtakademischen Bevölkerung sind nicht allein an der finanziellen Absicherung der Universitäten interessiert. Wie das Troia-Projekt zeigt, besteht durchaus auch `Nachfrage' nach den ideellen Gaben der Alma mater. Gerade die Geistes- und Kulturwissenschaften sollten zur Füllung dieser `Marktlücke' wesentlich aktiver werden.

Wenn also die Alma mater ihr Talent zur Geschäftsfrau weiter ausbaut und sich auf diesem Wege - zumindest ein bi▀chen - vom Vater Staat emanzipiert, kann sie eine überraschende Erfahrung machen: da▀ sie attraktiver ist als sie momentan glaubt.

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